· 

Kanaren - La Gomera

Es ist noch stockfinster, als wir den Anker heben und uns leise aus dem Ankerfeld vor der Playa Papagayo, in Richtung offenen Atlantik schlängeln. Unser Ziel ist La Palma. Zwei Tage werden wir auf See sein. Es wird eine ruhige Überfahrt mit kaum Schiffsverkehr. Nur in der Nacht fährt uns ein deutscher Segler fast über den Haufen. Nach Kontaktaufnahme über UKW, erklärt er sich gleich bereit, abzufallen, ist auf seinem Kurs einfacher als für uns. Erklärend fügt er noch hinzu, dass er von Madeira kommt und sehr müde ist. Einhandsegler sind wahre Helden der Meere und als Seglerin gilt ihnen mein größter Respekt, aber ich weiß sie lieber ganz weit weg von uns... 

Sonnenaufgang. Lanzarote schon hinter Wolken.
Sonnenaufgang. Lanzarote schon hinter Wolken.

Zwei Seemeilen vor La Palma dreht der Wind ordentlich auf. Das liegt an der sogenannten Düse. Jede der Kanarischen Inseln hat so eine Düse, in der sich der Wind um einige Knoten verstärkt, weil er sich zwischen den Inseln durchpressen muss. Wo die Düse beginnt, ist sehr gut zu erkennen, denn dort ist das Wasser weiß. So fahren wir schon gut gerefft in die "accelaration zone" ein. Dummerweise müssen wir in dem Starkwind auf und ab kreuzen, weil Harbour Control von Santa Cruz de la Palma, uns über UKW kein OK für die Einfahrt in den Hafen gibt. Erst muss die Fähre raus, dann können wir rein. Also segeln wir vor der Hafenmauer ein paar Powerwenden. Nach einer Nachtfahrt macht das nicht wirklich Spaß. 

Santa Cruz de La Palma
Santa Cruz de La Palma

Endlich dürfen wir in den Hafen hineinsteuern und die Marina anfunken, damit die das Tor in der Einfahrt öffnen. Es ist früher Nachmittag und scheints noch Siesta, denn erst beim dritten Anruf meldet sich jemand - noch dazu mit einem kaum verständlichen, grottenschlechten Signal. Dementsprechend oft muss Robert nachfragen, ob er eh alles richtig verstanden hat: Warten bis das Signal auf grün geht, dann geht das Tor auf, zuerst an den Rezeptionssteg und dann an den zugewiesenen Platz - das alles bei lockeren 25 Knoten Wind von der Seite... Fein. Machen wir. Das Anlegemanöver am Empfangssteg gelingt super, auch Drehen auf dem Teller, um zu unserem Liegeplatz zu kommen, gelingt gut, aber das Manöver in die Box müssen wir zweimal fahren. Der Seitenwind hat ordentlich zugenommen und Stravanza entwickelt gerne ihren eigenen Willen wenn sie von der Seite angeblasen wird. Das zweite Mal klappt es. An Land stehen schon ein paar Helfer von anderen Booten bereit, unsere Leinen zu übernehmen. Denen ist lieber, wir liegen endlich sicher am Steg, als wir düsen noch einmal mit Vollgas raus und wieder rein... 

Wir sind in Santa Cruz de La Palma! Erst jetzt haben wir einen Blick dafür, wie schön es hier ist. Die Marina liegt direkt in der Stadt vor bunten Häuschen an einer Promenade und gleich hinter der Stadt steigen rote Felsen hoch. Dramatisch schön.

Gleich am nächsten Tag landen Yvonne und Hans auf La Palma, um mit uns für zwei Wochen die Kanaren zu besegeln Schnell noch frischen Proviant einkaufen und auf einen Kaffee, bevor wir auslaufen. Es geht nach La Gomera! La Palma heben wir uns auf. Wir werden es am Ende des Törns näher erkunden. 

Ansteuerung La Gomera
Ansteuerung La Gomera

Auf der Überfahrt nach La Gomera suchen wir vergeblich Wind - der Atlantik ist flach wie ein Ententeich. Die 55 Seemeilen nach San Sebastian de La Gomera legen wir unter Motor zurück. Das einzig aufregende Ereignis dieser Überfahrt ist, dass es endlich einmal an unserer Schleppleine ruckelt, der Fisch aber mit dem Köder samt Vorfach dann doch wieder entkommt. Den Köder hatte ich Robert auf Madeira zum Geburtstag geschenkt. Er war nur einmal im Einsatz...  (nicht Robert, der Köder ;-))

La Gomera - ein Sehnsuchtsort. Als Jugendliche war ich fasziniert von den Geschichten, die sich um La Gomera, dem Mekka für Aussteiger rankten, später war ich dann entsetzt über die Auswüchse der Kommune um Otto Mühl, aber der Wunsch, dort einmal hinzukommen, blieb. Jetzt sind wir da!

Beim Anlegen in San Sebastian, verdiene ich mir den ehrenvollen Titel "Kapitana Kamikaze" - verliehen von einem gomerischen Marinero. Ich unterschätze den schwachen Wind und drehe zu spät in die enge Box, kann mich gerade noch mit viel Glück von den Hecks anderer Boote freihalten. Natürlich stehen alle Eigner dieser Boote  sogleich in ihren Cockpits und zittern um ihre teuren Windfahnen, Wattseas, Heckrelings, etc... Super! Hauptdarstellerin im Hafenkino zur besten Sundowner-Zeit! Zum Glück mit Happy End für alle! Nebenbei bemerkt: Robert bekommt vom Marinero den Titel "Kapitano Furioso" verliehen, was ich in diesem Moment sehr treffend fand. War eh alles gut, wozu die Aufregung? 

Sobald Stravanza sicher liegt, spendieren wir unserem gestressten Marinero ein Bier aus dem Eiskasten und lachen mit ihm im Nachhinein über das doch noch geglückte Manöver. 

 

Es wird Zeit, dass wir wieder in Gegenden kommen, wo mehr nervenschonendes Ankern angesagt ist. Wäre auch besser für die Bordkassa.... 

Montanas Fortaleza
Montanas Fortaleza

San Sebastian ist ein winziger Ort und schnell erkundet. Klein, aber fein! Uns zieht es aber eh hinaus, in die Barrancos, wie die tiefen Täler auf La Gomera genannt werden und eines wollen wir auf alle Fälle sehen, das Valle Gran Rey - der Hippietreff der 60er und 70er.

 

Die Süd- und Westküste erkunden wir per Auto und fahren entlang der sehr gut ausgebauten Höhenstraße an eindrucksvollen Landschaften entlang. Immer wieder müssen wir stoppen, um prächtige Ausblicke zu genießen. Am beeindruckendsten ist der Ausblick von der Kapelle Ermita San Isidro, hinüber zu den Montanas Fortaleza - ein gewaltiger Tafelberg, der tatsächlich wie eine Festung wirkt. Grandios.

Neben der Kapelle steht ein Denkmal, das sehr gelungen, die Pfeifensprache der Gomeros - den Silbo, symbolisiert. Es veranschaulicht, wie Hand und Mund zusammenspielen, um den Silbo zu "sprechen". Der Silbo ist die Pfeifensprache, mit der sich die Gomeros von Tal zu Tal mit lauten Pfiffen verständigen und die heute noch sehr oft in den Barrancos zu hören ist - so zumindest behauptet es unser Reiseführer. Silbo wird sogar in den gomerischen Schulen gelehrt, damit er nicht ausstirbt. Trotz extrem gespitzter Ohren, hören wir leider nichts dergleichen. Selbst auf unsere auffordernden Pfiffe, kommt keine Antwort - nur ein grandioses Echo von den Felsen. Vielleicht ist unsere Aussprache schlecht? Unser Akzent unverständlich?  Im Internet sind etliche gute Bespiele zu finden, wie Silbo klingt. Hörenswert!

Zum Mittagessen fallen wir mitten in den Gomerischen Bergen in ein unscheinbares Gasthaus an der Straße ein und bekommen unglaublich gute Schmankerln serviert. Fast wären wir dort, auf der sehr gemütlichen Terrasse versumpert, aber wir müssen noch ins Valle Gran Rey.

Na ja... Der Hippiespirit ist noch da - in Form von Shops mit der typischen Mode und Souvenirs aus Bali. Einzig im Kreisverkehr am Ortseingang, torkelt ein offensichtlich völlig zugedröhnter "Alt-Hippie", gefährlich mitten auf der Fahrbahn herum. Der Verkehr stoppt seinetwegen, bis er sicher den Kreisverkehr verlassen hat. Alles völlig unaufgeregt. Sonst ist Valle Gran Rey ein wunderschönes, palmenbewachsenes, grünes Tal und der Ort Vueltas ein Touristenort mit kleinem Strand. Wir gönnen uns ein sehr gutes Eis aus Früchten - natürlich aus biologischem Anbau und erstehen die besten Bio-Avocados der bisherigen Reise. Mehr gibt es von unserem Besuch im Valle Gran Rey nicht zu berichten. Ich bin wohl Lichtjahre zu spät - für was auch immer ich mir von Valle Gran Rey vorgestellt hatte...

Am nächsten Tag, heißt es : weg mit dem Auto und her mit den Wanderschuhen! Vom hochgelegenen Nationalpark Garajonay (1487 m), wandern wir durch den berühmten Lorbeerwald hinunter an die Küste. Der dichte Wald wird allein durch sogenannten "horizontalen" Regen, den er sich gewissermaßen selbst erzeugt, am Leben gehalten: an den steilen Inselflanken bleiben die dichten Passatwolken hängen, deren Feuchtigkeit an der dichten Vegetation kondensiert. Wie ein Schwamm nimmt der Boden das Wasser auf. Auf diese Weise kommt es sogar zu Grundwassereintrag und das versickerte Wasser tritt als Quelle wieder an die Oberfläche. Ein faszinierender Kreislauf. Gerne hätten wir für diese Wanderung wolkenverhangene Berge gehabt, um die vielbeschriebene Mystik des Lorbeerwaldes erleben zu können, aber wir haben blauen Himmel und Sonnenschein. Wenn man sich einmal schlechtes Wetter wünscht... Egal, die Wanderung ist auch so wunderschön. 

Im Lorbeerwald können wir uns davon überzeugen, dass die hiesigen  Kanarienvögel, zwar sehr zutraulich, aber keineswegs bunt, sondern mausgrau sind und auch nicht fröhlich singen. Eine Recherche ergibt, dass die bunte, singende Variante, reine Zuchtvögel sind und vornehmlich in Käfigen "vorkommen".  Woher der Name "Kanarimilch" - Wienerisch für Vanillesauce, stammt, konnte ich nicht herausfinden. Vielleicht klärt mich da jemand einmal auf? 

Immer nur bergab klingt bequem, aber 1000 Höhenmeter Abstieg, mit zum Teil ausgesetzten Stellen und sehr hohen Stufen, haben es auch in sich - vor allem für schon etwas ältere Kniegelenke. Am Endpunkt der Tour, im hübschen Ort Hermigua, ist es zudem noch ziemlich heiß. Wir sind alle vier sehr zufrieden mit diesem Tag, aber auch etwas geschlaucht.

Dankbar steigen wir in den klimatisierten Linienbus, der uns zurück nach San Sebastian bringt. Morgen werden wir auf See sein und unsere geplagten Knochen können ausruhen, denn morgen segeln wir nach Teneriffa. Dort wartet der Teide auf uns, der höchste Berg Spaniens! Er hat uns schon den ganzen Tag über zugewunken. 

Stay tuned!