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Azoren - Graciosa

Wir nehmen einen Ritt hoch am Wind in Kauf und legen Kurs nach Graciosa. Die Mühe lohnt sich. Graciosa ist noch einen Tick entspannter und unaufgeregter als ihre Nachbarinseln und wieder ganz anders im Charakter. Einzig im Hafen gibt es hier keinen Platz für uns und wir müssen davor ankern. Eine äußerst rollige Angelegenheit, die uns ein wenig den Schlaf raubt. Aber der Charme des Miniortes Praia de Graciosa hat uns im Nu erobert und macht die Rollerei in den Kojen wieder wett. 

Die Kellnerin in der äußerst gemütlichen Strandbar meint, wir müssen unbedingt den Turm im Vulkan am Grunde der hiesigen Caldera sehen, duldet keine Widerrede und checkt uns einen Fahrer zum Vulkanturm. So kommen wir zu einer Vulkanbesichtigung der anderen Art: Forscher haben in den örtlichen Vulkan besagten Turm gebaut in dem man nach unten auf den Grund des Kraters gelangt. 

Im Turminneren wendet sich eine steile Wendeltreppe hinunter, es riecht nach Schwefel und anderen Gasen. Im Turm entsteht wie ein einem Kamain, ein Sog in dem die Dämpfe und Gase, die am Grund des Kraters aus der Erde dringen, aufsteigen. Die netten Damen am Eingang empfehlen uns, bei Ab- und Aufstieg immer wieder bei den kleinen schießschartenartigen Fenstern stehen zu bleiben, und frische Luft einzuatmen. Wir vertrauen darauf, dass die Toxizität auch heute gemessen wurde und die Werte zulässig sind. Denn an manchen Tagen muss der Turm gesperrt werden, weil die Gaswerte zu hoch und damit gesundheitsgefährdend sind. Unten angekommen, stehen wir in einer riesigen Felshalle mit kleinem See. Fumarolen steigen auf, in einer Ecke blubbert Schlamm vor sich hin und an den Kraterwänden sprießt dichteste Vegetation zum Licht hinauf. Ein surrealer Anblick. Die Stufen hinauf nehmen wir  - wie empfohlen, langsam, um nicht zu viel von dem um uns wabernden Zeugs einzuatmen.

Wieder zurück im Ort, machen wir uns auf die Suche nach den berühmten Queijadas da Graciosa und dem viel gerühmten Wein der Insel. Queijadas sind kleine gefüllte Törtchen, ähnlich den Pasteis del Nata, aber mit etwas anderer Füllung. Es ist Samstag Nachmittag und die kleine Queijada-Bäckerei ist geschlossen. An der Tür klebt jedoch ein Zettel mit einer Telefonnummer. Die rufe ich kurzerhand an. Über der Bäckerei öffnet sich ein Fenster und eine sehr sympathische Frau redet freundlich auf Portugiesich auf uns ein. Während sie ihr kleines Verkaufslokal extra für uns aufsperrt, redet sie unaufhörlich weiter und stellt uns dabei einen Teller mit ihren unwiderstehlichen Queijadas hin. Wir müssen alles verkosten und erst dann dürfen wir sagen, welche wir kaufen wollen. Dann zeigt sie uns noch Fotos der herrlichen Hochzeits- und Geburtstagstorten, die sie bäckt. Zum Abschied werden wir fest umarmt und müssen noch den Rest der nicht verkosteten Törtchen mitnehmen. Eine unglaublich nette Begegnung. Es tut mir so leid, dass wir kein Portugiesisch können und nie erfahren werden wessen Hochzeitsbilder uns hier gezeigt wurden und wir mit "Oh" und "Ah" bewundern durften. Was wir aber verstehen ist, dass diese Törtchen absolut nichts mit den Pasteis del Nata in Portugal zu tun haben. Aber... sind wir nicht denn nicht in Portugal? Nein, das sind die Azoren, das ist etwas komplett anderes! Okay....

Mit dem Wein haben wir weniger Erfolg. Es gibt ihn einfach nicht, nur vom Festland importierter Wein ist zu haben. Dabei hätte uns der Graciosa-Wein besonders interessiert, weil er aus der Isabellatraube gekeltert wird und an unseren Uhudler herankommen soll. Leider werden wir es nie erfahren. Dafür kosten wir von den hiesigen Melonen. Am Straßenrand ist ein Standl aufgebaut. Wir kaufen drei wohlriechende Honigmelonen und bekommen 2 Stück dazu geschenkt.  

Auch die Wassermelonen haben gerade Hochsaison. Der Fischer an dessen Boot unser Dinghi hängt, arbeitet an seinem Schiff. Als Jause hat er eine riesige Wassermelone "in Arbeit". Während wir unser Dighi mit Rucksäcken und EInkäufen beladen, schneidet er uns riesige Stücke davon ab und freut sich, dass wir ganz begeistert sind. So gute Melonen haben wir überhaupt noch nie gegessen! Genauso geht es uns mit den Ananas. Die kleinen Azorenananas sind zwar teuer aber mit Sicherheit die allerbesten, die wir jemals gegessen haben. Unschlagbar! Ein typisch lokales Gericht ist "Morcela com Ananas" - süßlich gewürzte, scharf angeröstete Blunzn mit gerösteten Ananasstückchen... Mir hats geschmeckt. Wer es weniger exotisch mag, bestellt sie sich nur gegrillt. Eine Delikatesse! Wir müssen immer genügend Ananas an Bord haben, sonst sind wir nicht auslaufbereit!

Hab ich schon erwähnt, dass alle Inseln der Azoren mit Hortensien übersät sind? Dicht an dicht stehen sie in voller Blüte einfach so da und sind wunderschön. Beim Ausguck-Fotostop muss man sich nicht um ein Objekt für "Vordergrund macht Bild gesund" kümmern. Das erledigen die Hortensien. Sie sind überall! Hobbygärtner frisst hier der Neid ob dieser Pracht.

Aber das ist schon fast das einzige was die Inseln der Azoren miteinander gemein haben. Auf jeder Insel erfahren wir, dass die eigene Insel die schönste des Archipels ist und, dass die Leute der anderen Inseln etwas sonderbar sind. Bis in die 70er Jahre gab es unter den Bewohnern der Inseln sehr wenig Kontakt und keinen Austausch. Es gab weder Fähren noch Flugverbindungen und die Entfernungen sind für kleine Boote zu groß und zu gefährlich waren. Überhaupt wurden die Azoren während des diktatorischen Salazar-Regimes von 1924 - 1974 überhaupt nicht entwickelt, ja fast negiert. Die Versorgungslage der vom 1.500 km Festland entfernten Inseln war sehr schlecht, bis gar nicht vorhanden, die Analphabetenrate betrug in den 60er Jahren 40% und die Lebenserwartung war die niedrigste in ganz Europa. Dies führte dazu, dass viele Azoreaner nach Kanada und in die USA auswanderten. Heute hat jeder zweite Azoreaner Verwandte in den USA und Kanada. Zum Glück gehören diese Zustände der Vergangenheit an und die Azoren erfreuen sich heutzutage moderner Infrastruktur und haben guten Anbindung ans Festland und Verbindung untereinander. Trotzdem hören wir immer wieder "this is the best island of the Azores" und "this is not Portugal"....

Stay tuned!