Nach dem aufwühlenden Besuch von Belfast, ist die idyllische Isle of Man der richtige Ort uns zu erholen.
Die Isle of Man ist im wahrsten Sinne des Wortes, eine Insel in der Irischen See! Sie gehört nicht zum United Kingdom, ist aber dem Britischen Königshaus unterstellt - ein etwas verwirrender Status....
Jedenfalls gibt es im kleinen Hafen Peel ein sehr pittoreskes Castle direkt am Hafen, einen schönen langen Sandstrand, gemütliche Pubs und einen sehr, sehr netten, freundlichen Hafenmeister. Leider ist uns nur ein trockener Nachmittag für einen Spaziergang vergönnt. Das Regenwetter verleidet es uns, die Insel eingehender zu erkunden. Dann zeigt der Wetterbericht auch noch ein kurzes Wetterfenster für die Weiterfahrt nach Dublin und wir entschließen uns schweren Herzens, bereits nach zwei Tagen, die wir hauptsächlich unter Deck verbracht haben, wieder aus Peel auszulaufen und Kurs auf Dublin zu nehmen, bevor das nächste Tief mit tagelangen, heftigen Südwinden (die Richtung, in die wir wollen!) die Britischen Inseln erreicht.
Nach einer anstrengenden Nachtfahrt, steuern wir im Morgengrauen das Verkehrstrennungsgebiet in der weiten Bucht von Dublin an. Die Hafeneinfahrt gestaltet sich ähnlich, wie die von Belfast. Mit dem Unterschied, dass ich das lässige, stark irisch gefärbte Englisch des Diensthabenden von Port Control, kaum verstehe. Meine Ohren sind noch auf Schottische und Britische Klänge eingestellt.. Was die Sache für uns spannend macht, den Diensthabenden aber sicher nervt, weil ich mir immer wieder bestätigen lassen muss, eh alles richtig verstanden zu haben. Wir kommen aber gut durch und landen unbeschadet und ohne gröbere, peinliche Ermahnungen über Funk, in Dublins "Poolbeg Marina". Die Marina liegt inmitten des Commercial Harbour - mit entsprechendem Geräuschpegel und Schwell. Ständig brummen haushohe Ozeanriesen - in nur ein paar Metern Abstand, an uns vorbei. Wenn sie ihre Bugstrahlruder zum Einsatz bringen oder den Rückwärtsgang einlegen, summt, brummt und vibriert unsere STRAVANZA vom Kielschwein bis in die Mastspitze, heftig mit. Eine sehr laute, eigenartige Geräuschkulisse, die uns zeitweise die Nachtruhe raubt. Noch dazu zieht das angekündigte Tief, begleitet von heftigen Böen, durch und beschert uns selbst im geschützten Hafen ziemlichen Schwell, der laut an unseren Alurumpf schwappt.
Bleibt zu hoffen, dass die Großen ihre Manöver auch mit diesem Wind im Griff haben und wir nicht Darsteller in einem Boatfail-YouTube-Video werden...
Der Vorteil des ganzen Zirkus dieser Marina ist, dass sie mitten in Dublin liegt und wir zu Fuß ins Zentrum kommen.
Dublin ist eine sehr charmante, fröhliche Stadt. Es macht Spaß, den Liffey entlang zu schlendern und sich in den verwinkelten Gassen des Temple Bar Viertels zu verlieren, der berühmten Guinness Brewery einen Besuch abzustatten, durch Shops mit klingendem Namen zu bummeln, auf dem Rasen des Trinity College zu picknicken und die wirklich schöne, anmutige Samuel Beckett Bridge von Calatrava zu bewundern. All das bei kühlen Temperaturen, aber mit Sonnenschein!
Aber auch hier treffen wir immer wieder auf die tragische Geschichte der Republik Irland. Die Kolonialherrschaft der Engländer, damit einhergehend Unterdrückung und Ausbeutung der katholischen Irischen Bevölkerung samt Verbot der Irischen Sprache und Ausübung der eigenen Religion, die furchtbaren und verheerenden Hungersnöte und die damit verbundenen gigantischen Auswanderungswellen in die USA und andere Länder, der lange und blutige Kampf um die Unabhängigkeit über Jahrhunderte. Eine tragische Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes. All das prägt Irland bis heute. Uns erscheinen die Iren jedoch, trotz ihrer tragischen Geschichte lebenslustig und sehr positiv. Die Stadt quillt über mit Studierenden aus aller Herren Länder, es herrscht eine ausgelassene Stimmung in den Straßen, den Parks und natürlich in den Pubs, die immer voll zu sein scheinen. Vielleicht ist es aber auch das ungewohnte spätsommerliche Wetter, das uns Dublin so überaus fröhlich und ausgelassen erscheint. Egal. Wir lassen uns davon mitreißen und genießen die Stadt in voll(st)en Zügen.
Wie schon die ganze Zeit über auf unserem Weg nach Süden und eigentlich auf diesem Törn generell, bestimmt einzig und allein das Wetter, wann es Zeit zum Weiterfahren ist. Wir haben ständig ein Auge auf den Wetter-Apps und alle Wettermodelle prognostizieren uns für die nächsten Tage, resche, aber anhaltende Nordwestwinde! Ideale Bedingungen für eine direkte Überfahrt von Dublin in die Bretagne - unserem Ziel für diesen Winter!
Mit der Aussicht, dass uns nur vier Tage auf See mit Wind "von hinten", von frischem Baguette und knusprigen Croissants trennen, laufen wir bestens gelaunt aus Dublin aus.
Die erste Nacht segeln wir hart am Wind, kämpfen mit dem Strom, der ein paar Stunden lang gegen uns setzt und knallen ziemlich hart in die Wellen. Bis der Strom endlich kippt, eine sehr ungemütliche "Segelei". Aber schon am nächsten Tag, hält sich der Wind tatsächlich an die Prognose und dreht auf den angesagten Nordwest und bläst uns in insgesamt vier Tagen über die Keltische See, weiter in den Englischen Kanal und an die Bretonische Küste - unserem Endziel für diesen Sommer. Die Nächte sind jetzt schon wieder "normal" lang und leider auch stockdunkel. Mit Wehmut denken wir an die taghellen Nächte in Island zurück wo "Nachtfahrten" so easy waren. Dafür haben wir zumindest tagsüber Sonnenschein und selbst im Verkehrstrennungsgebiet im Englischen Kanal, sehr wenig Verkehr. Der Wind bläst stärker als angesagt und wir sind dadurch viel schneller als erwartet. Nach unserer Rechnung hätten wir im Morgengrauen bei der Bretonischen Insel Ouessant landen sollen, sind aber schon 12 Stunden früher da - pünktlich mit der hereinbrechenden Dunkelheit. Um die Insel Ouessant herum, herrschen die stärksten Tidenströme der Bretagne und da wollen wir keinesfalls in der Dunkelheit herumgurken, an Landfall bei Dunkelheit ist hier nicht einmal zu denken - zumindest nicht für uns. Also verschieben wir den Landfall auf morgen, und segeln in einem großen Bogen westlich an Ouessant vorbei. Der Leuchtturm "Phare de la Jument" (das ist der auf dem Foto mit der Riesenwelle dahinter, wer's kennt...) leuchtet freundlich zu uns herüber und weist uns den Weg. Sobald es dunkel wird, nimmt wie von Zauberhand, der Verkehr enorm zu. Alle Cargoschiffe, die aus dem Süden in den Englischen Kanal wollen, fahren auch in einem großen Bogen westlich an Ouessant vorbei... Es wird eine anstrengende Nacht mit viel Ausschau halten und ein paar nervösen Funksprüchen auf Kanal 16.
Bei Sonnenaufgang ist der Verkehr plötzlich wie abgerissen und wir haben die Qual der Wahl, in welchen der wunderhübschen Bretonischen Häfen wir einlaufen wollen. Die Entscheidung fällt auf Concarneau, weil die Marina unabhängig von Hoch- und Niedrigwasser, immer angelaufen werden kann. Außerdem haben wir das Cafe l'Atlantique am Hafen in bester Erinnerung - es lockt mit gutem Cafe au Lait und den besten Croissants!
Landfall in der Bretagne ist schon fast wie nach Hause kommen. Es fühlt sich so an, als wären wir erst vorige Woche hier gewesen. Und ich muss sowieso in einem früheren Leben, Bretonin gewesen sein, so wohl wie ich mich hier fühle.... Es herrscht Spätsommerwetter, wir flanieren im Sommerg'wand durch die Straßen, gönnen uns ein herrliches Menü mit drei Gängen und Weinbegleitung. Wie schön unsere Zeit in Island, Großbritannien, Irland und Holland auch war, kulinarisch kommt nichts an die Bretagne heran. Wie auf Bestellung, ist am Tag unseres Landfalls auch noch Markt in Concarneau und wir decken uns mit regionalen und saisonalen Köstlichkeiten ein.
Mit unserer reichen Beute an Fisch, Gemüse, Käse, Pate und Wein vom Markt, segeln wir zu den Les Glenans Inseln und werfen Anker vor der kleinen Isle de Loch. Der Plan ist, faulenzen, schlemmen, lesen und... entscheiden wo wir die STRAVANZA diesen Winter lassen wollen.
Die alljährliche Herbergssuche nach STRAVANZAs Winterquartier, gestaltet sich dieses Jahr besonders schwierig. Irgendwie haben alle Häfen unserer Wahl, dieses Jahr beschlossen im Winter gröbere Umbauarbeiten in Angriff zu nehmen und haben deshalb keinen Platz für uns. Wir klappern alle Marinas und Hartstellplätze rund um Lorient ab, telefonieren uns in gebrochenem Französisch die Ohren heiss, aber nichts ist zu finden - nur Absagen. Und so kommt es, dass wir unsere brave STRAVANZA dieses Jahr in die absolute Pampa stellen. Der Stellplatz selber bietet gute Infrastruktur, hat einen guten Preis und die Betreiber sind sehr nett, aber er liegt eben in der Pampa am Südufer der Loire.... Na gut. Segeln wir halt in die Loire... Das letzte Anlegemanöver dieses Sommers, wird zum Anlege-Bravourstück. Die Loire schwappt uns mit ihrem starken Tidenstrom weit ins Landesinnere, die letzten Sonnenstrahlen verschwinden hinter der Kimm, für ein Anlegemanöver an den Steg vor dem Stellplatz herrscht eigentlich noch viel zu viel Strom... Slackwater abzuwarten hätte bedeutet, bei absoluter Dunkelheit anzulegen und war keine Alternative. Dass das gutgegangen ist, ist Roberts Sprungbereitschaft und meinem Vollgas in die Spring, zu verdanken. Aufregung und noch einmal Adrenalin am Ende dieses unglaublichen Segelsommers! Aber auch Stolz und Dankbarkeit, dass wir drei - die STRAVANZA, Robert und ich so ein gutes Team sind und selbst dieses Manöver hinbekommen haben.
Gleich am nächsten Tag, heben wir STRAVANZA aus dem Wasser. Sie hat uns sicher und mit nur ein paar kleinen Pannen, bis an den Polarkreis und zurück in die schöne Bretagne gebracht. Sie darf sich jetzt einen Winter lang an Land stehend ausruhen, bevor wir ihr wieder einmal mit allem möglichen Werkzeug zu Leibe rücken. Die "To-Do" Liste ist wieder einmal ziemlich lang.
Island scheint mir jetzt so weit weg. Als wir auf dem Weg dorthin waren, erschien mir der Weg so logisch und gar nicht weit. Wie reich wurden wir belohnt, als wir dort waren und was für ein großartiges Abenteuer liegt jetzt in unserem Kielwasser! Wenn ich jetzt etwas melancholisch an die Plätze denke, die wir diesen Sommer besucht haben, verspüre ich große Sehnsucht gleich wieder an diese Orte zu segeln und alles noch einmal erleben zu können. Aber nichts im Leben kann wiederholt werden, es warten neue Ziele und neue Abenteuer auf uns! Im Frühjahr 2024 segeln wir wieder los. Wir werden wieder hier berichten. Jetzt geht es erst einmal in die Winterpause nach Österreich.
Stay tuned!