Auf dem Weg weiter nach Norden, laufen wir in Vopnafjorduer ein - ein kleiner sehr sympathischer Hafen an Islands Ostküste. Sehr sympathisch auch deshalb, weil wir hier 3 Tage lang gratis liegen mit Strom und Wasser am Steg! Apropos Wasser am Steg: Bisher mussten wir unseren Wasserschlauch nie auspacken - am Steg gibt es immer einen ausreichend langen, fein säuberlich aufgerollten Schlauch, aus dem ununterbrochen bestes Trinkwasser rinnt - es gibt schlichtweg keinen Wasserhahn! Das ist zum Einen so, weil es genug Wasser gibt und zum Anderen, damit es nicht einfrieren kann. Ich hoffe, dieser zweite Umstand bezieht sich nur auf die Wintermonate.
Als wir einlaufen, ist ein Segler schon da: Mike Henderson mit seiner PANGEY. Mike ist Schotte, besegelt dieses Revier seit 15 Jahren und ist sehr bekannt unter Island- und Grönlandseglern, weil er ein sehr umfang- und hilfreiches Handbuch über Häfen und Ankerplätze in Island und Grönland geschrieben hat. Wir haben sein Werk natürlich an Bord. Wie schön, dass wir ihn hier persönlich treffen! Wir quetschen ihn einen Vormittag lang aus, welche Ankerplätze und Buchten Islands wir auf keinen Fall auslassen dürfen und erhalten wertvolle navigatorische Tipps aus erster Hand - z.B. gleich zum bevorstehenden Runden der Langanes-Halbinsel, dem "Kap Hoorn" Islands, das an Islands Nordostecke wie ein langer Finger 20 Seemeilen (ca. 40 km) lang in den Atlantik hinausragt. So schön der Name "Langanes" klingt, so schlecht ist die Reputation dieses Kaps: meist hinter Nebel versteckt und von Tidenströmungen -dem berüchtigten Langanes-Röst (Verwirbelungen, die heftigen konfusen Seegang verursachen), umspült. Im Seehandbuch steht dazu: The Röst (or Roosts in Scottish Waters) are best avoided, unless you have local knowledge about them!
Also höchste Aufmerksamkeit erforderlich: Die Umrundung muss mit der Tide geplant werden und sollte bei relativ ruhigem Wetter erfolgen. Dann am besten ganz knapp daran vorbei segeln/motoren - also zwischen der 60 m Felswand und dem weiß schäumenden Röst....! Das wird sicher spannend! Da ist gleich einmal DIE Isländische Redewendung anzuwenden:"Petta reddast!" - "Wird schon schiefgehen!" Aber ernst wird es eh erst in zwei Tagen, weil es vorerst einmal ordentlich bläst und noch dazu aus der falschen Richtung.
Langsam füllt sich der Hafen - es laufen vier weitere Segeljachten ein und Mike meint, sowas hätte er hier noch nie gesehen: er war bisher immer allein hier! Wir erfahren auch, warum der Platz gratis ist: Der Hafenmeister ist auf Urlaub und sein Stellvertreter spricht kein Englisch, "traut" sich deshalb angeblich nicht in den Hafen. Ich stelle mir vor, wie sein Chef ihm vielleicht gesagt hat, "es wird eh nix los sein, mach Dir keine Sorgen, die eine Jacht, die hier hin und wieder aufkreuzt, ignorierst Du halt"... und jetzt liegen 6 Segler da!
Im kleinen Ort Vopnafjordur geht es recht beschaulich zu, es gibt einen guten Supermarkt, ein nettes Kaffeehaus-Beisl (zwei Krügerln vom wirklich guten Bier, schlagen sich allerdings mit EUR 21,- zu Buche!), einen Campingplatz mit warmer Dusche und man kann "in den Staat gehen". So nennen das die Isländer wenn sie ins "Vinbudin" (staatlicher Alkoholladen), Bier oder Schnaps kaufen gehen. Was es nicht gibt, ist ein öffentlicher Bus oder ein Taxiunternehmen und wir kommen hier nicht weg um die Zeit für eine Wanderung weiter weg vom Schiff zu nutzen. So vertreiben wir uns die Zeit mit ausgedehnten Spaziergängen auf die umliegenden Hügel, die uns auch sehr schöne Ausblicke bieten. Der starke Wind hätte eine höher gelegene Wanderung samt Übernachtung im Zelt, ohnehin etwas mühsam gestaltet. Die Gelegenheit für eine solche Unternehmung kommt sicher noch, ein wenig Zeit haben wir ja noch. So wandern wir durch endlose blasslila Lupinenfelder und lila eingefärbte Hügel hinauf.
In den Felsen am Ortsrand nisten Papageientaucher, Küstenseeschwalben und viele andere Arten von Seevögeln. Es gibt ein ziemliches Gekreische wenn wir vorbeischlendern.
Wie auf Kommando laufen bis auf Mike, alle Segler am selben Tag zur selben Zeit aus um zeitgerecht am Langanes-Kap zu sein. Allein der Weg zur Schlüsselstelle ist 40 Seemeilen lang und das Timing gestaltet sich schwierig: Der Wind kommt einmal mit 20 Knoten von vorne, dann wieder mit 5 Knoten von hinten, dazwischen fällt Nebel ein und verzieht sich wieder.... Das bedeutet für uns: Reffen, Ausreffen, Genua rein, Fock heraus oder umgekehrt, Motor ein, Motor aus - so geht das sechs Stunden lang, weil wir unsere 5 Knoten Geschwindigkeit konstant halten müssen um zum richtigen Zeitpunkt am Kap zu sein. Der Plan geht auf - im Nebel und unter Motor runden wir das Kap in ruhigem Wasser. Die Felswand ist nur ein Schatten im Nebel und den Röst hören wir nur in der Ferne rauschen.
Mein Puls beruhigt sich jetzt sich auch langsam wieder und wir segeln friedlich in die "Nacht" hinaus, Richtung Westen. Nacht unter Anführungszeichen, weil es nie ganz dunkel wird, was die Nachtfahrten sehr angenehm macht.
Als sich gegen fünf Uhr morgens die Sonne blicken lässt, beschert sie uns einen atem-beraubenden Blick auf die hohen Berge der Isländischen Nordküste. Es tauchen sogar die Rücken von zwei Minkwalen vor unserem Bug auf und tauchen majestätisch wieder ab. Ich muss ,mich wieder einmal zwicken, um zu glauben, dass ich nicht träume.
Unser nächstes Ziel heißt Husavik.