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Irland und Schottland

The Wild Atlantic Way

Ja, es ist ein wilder Weg, Irlands Westküste bis hinauf in die schottischen Highlands zu segeln, aber es ist auch ein magischer Weg, der sich tief ins Segler*innenherz einbrennt. Ein Bericht über die Reise der Stravanza rund um die Britischen Inseln. 

Eigentlich sollten wir an unserer Steuerbordseite jetzt gerade die berühmten Cliffs of Mohair bestaunen können, aber seit heute Morgen segeln wir an Irlands rauer Westküste im dichten Nebel.

Die Route: Rund um Irland und England
Die Route: Rund um Irland und England

Unser Tagesziel sind die Aran Islands. Bis vor zwei Tagen hatten wir strahlendes Sommerwetter, das den Himmel blitzblau färbte und die sattgrünen Küsten Irlands so richtig zum Strahlen brachte. Damit ist jetzt Schluss, denn heute wird eine Schlechtwetterperiode für die nächsten 14 Tage vorausgesagt. Das gehört hier zum Programm und wir hatten damit gerechnet.

 

Eigentlich sollten wir an unserer Steuerbordseite jetzt gerade die berühmten Cliffs of Mohair bestaunen können, aber seit heute Morgen segeln wir an Irlands rauer Westküste im dichten Nebel. Unser Tagesziel sind die Aran Islands. Bis vor zwei Tagen hatten wir strahlendes Sommerwetter, das den Himmel blitzblau färbte und die sattgrünen Küsten Irlands so richtig zum Strahlen brachte. Damit ist jetzt Schluss, denn heute wird eine Schlechtwetterperiode für die nächsten 14 Tage vorausgesagt. Das gehört hier zum Programm und wir hatten damit gerechnet.

 

Vorbei am legendären Fastnet Rock geht es nach Norden
Vorbei am legendären Fastnet Rock geht es nach Norden

Vor zwei Monaten sind wir mit unserer Stravanza aus der Bretagne in Richtung Norden aufgebrochen, haben den Englischen Kanal überquert und sind, nach einem Zwischenstopp auf den Scilly Islands, quer über die Keltische See, am Fastnet Rock vorbei, an die irische Westküste gesegelt, an der wir jetzt weiter nach Norden segeln wollen. 

Der Weg nach Norden

 

Ich sitze am Navi-Tisch und starre auf Radar und AIS. Es sind kaum Schiffe unterwegs, also wenigstens kein allzu großer Stress trotz des alles einhüllenden Nebels. Es ist Anfang Juni und vorgestern noch lagen wir in der gemütlichen Marina in Dingle und konnten nach einem Besuch des „South Pole Inn“ im Cockpit der Stravanza spät abends die letzten Sonnenstrahlen genießen. Dieses berühmte Pub war ein Muss auf unserer Reise entlang Irlands Westküste: Sein Besitzer war Tom Crane, der mit Shackleton 1914 auf der legendären Endeavour in die Antarktis aufgebrochen ist. Nach seiner Rückkehr kaufte Tom vom Salär der Expedition dieses Pub, und der Geist dieses großen Abenteurers hängt noch in den Räumen: An den Wänden unzählige Fotografien der Expedition und man kann sich lebhaft vorstellen, wie es möglich war, dass alle Männer diese Expedition überlebt haben. 

 

Seit dem Auslaufen aus Dingle hat uns das schöne Wetter verlassen und es ist klar, dass wir in spätestens 36 Stunden Schutz vor einem heranziehenden Tief finden müssen. So haben wir es eilig, auf die Aran Islands zu kommen, um dort zumindest einen kurzen Stopp einlegen zu können. Unser Zeitplan gelingt. Gleich nach dem Festmachen an der Boje für „visiting yachts“ rudern wir an Land und mieten Fahrräder für eine kleine Inselrundfahrt. Wir absolvieren das Aran Islands-Touristenprogramm samt kleiner Inselwanderung, Seehundbeobachtung, sättigendem „Cream Tea“ im Aran Tea House und einem Hauberl aus weichster Aran Wolle, das zum Standardoutfit der nächsten Wochen werden sollte. Dann rauschen wir weiter und segeln mit bereits ordentlich Wind in die Galway Bay, um uns in Galway Harbour „einwehen“ zu lassen. Das Anlaufen dieses Hafens muss mit Strom, Gezeiten und Öffnungszeiten der Hafenbarre gut geplant sein. Alle unsere Berechnungen gehen perfekt auf und wir wettern die ersten heftigen Regenböen bereits in einem urgemütlichen Pub bei Guinness und Irish Stew ab. 

 

Funksprüche

 

Jedes Tief ist irgendwann einmal durch. Nach vier Tagen bläst es zwar noch ganz schön und wir müssen hoch an den Wind, aber wir machen uns tapfer weiter auf den Weg nach Norden, um an Irlands markantes Kap Malin Head zu gelangen. Der Weg hinauf ist nicht einfach entlang dieser unwirtlichen, rauen Steilküste: „The Wild Atlantic Way“ eben… 

 

Hier sind kaum Boote unterwegs und unser Signal ist oft weit und breit das einzige auf dem AIS-Schirm. Wie schön, dass wir uns für jede Strecke bei der Coast Guard Radio Station an- und abmelden können: Über UKW melden wir vor dem Auslaufen unsere TR (Travelling Route), d.h. Auslaufhafen und geplantes Ziel samt ETA. Am Ziel angekommen „schließt“ man den TR wieder. Irgendwie ein gutes Gefühl, dass uns jemand vermissen wird, sollten wir uns nicht wieder abmelden. Die Coast Guard begrüßt es, wenn Schiffe diesen kostenlosen Service nutzen. Am Malin Head, dem nördlichsten Kap Irlands, angekommen, ist es an der Zeit, uns aus der Republic of Ireland per Funk abzumelden. Nach meiner formellen Abmeldung kommt tatsächlich über’s UKW reingekrächzt: „Thank you for checking in regularly with the Costa Guard Radio Stations – it was very professional! Hope to see you back someday in Ireland!”! Ich bin ganz gerührt und mein Funkerinnenherz schwillt an vor Stolz. Von hier aus sind es nur mehr 30 Seemeilen nach Schottland. 

 

Angekommen in den schottischen Highlands

Es ist mittlerweile Anfang Juli und wir laufen ein in Loch Tarbert auf der schottischen Insel Jura – ein einsamer, aber bestens geschützter Ankerplatz mit einer „tricky entrance“ in „the middle of nowhere“. Wir müssen zuerst einmal wieder ein ordentliches Tief abwettern. Bald weht es mit bis zu 40 Knoten über uns hinweg, aber wir liegen hier wie in Abrahams Schoß und kommen erst einmal nicht von Bord. Nach zwei Tagen machen wir gut ausgeruht unseren ersten Landgang und bestaunen die Schönheit und Einsamkeit dieses Ortes. Wir steigen die einzigartigen „Raised Beaches“ hinauf auf einen der höchsten Hügel der Bucht und genießen eine atemberaubende Aussicht. Uns wird ehrfürchtig bewusst, wie egal es dieser Natur hier ist, ob wir Menschen da sind oder nicht. 

 

Welch ein Kontrast, als wir einige Tage später in Oban – Schottlands Minimetropole an der Westküste – einlaufen, um unsere Tochter abzuholen. Wir segeln weiter nach Tobermory auf der Insel Mull. 

The Mishnish, Tobermory
The Mishnish, Tobermory

Dort machen wir im strömenden Regen fest und versumpern dann in Schottlands legendärstem Pub „The Mishnish“. 

Navigation einst und jetzt

Tags darauf geht es an unzähligen Untiefen vorbei, immer die Tide im Auge, bis wir schließlich als einziges Schiff vor Moidart Castle ankern, als Nachbarn lediglich ein paar Seehunde. Jeder Tag in dieser Gegend ist ein kleines Abenteuer und wir sind navigatorisch gefordert – Radar, GPS, Kartenplotter, elektronische Gezeitenkalender und exakte Wetterberichte erleichtern die Navigation ungemein. Das lässt uns an unseren ersten Schottlandtörn – unsere Hochzeitsreise vor 28 Jahren – zurückdenken. GPS, Plotter und Co. gab es damals nicht und wir wundern uns, dass wir uns „nur“ mit Kreuzpeilung, Koppeln und Gießen und gedrucktem Tidenkalender getraut haben, diese Buchten anzulaufen … 

Bilderbuchtage in herrlicher Kulisse

So verbringen wir berauschende Wochen an der Küste der Highlands und segeln zwischen den unzähligen Inseln hinauf bis nach Stornoway auf der Insel Lewis – der nördlichsten der Äußeren Hebryden, wo uns der uralte Steinkreis der Stones of Callanish in seinen Bann zieht und wir das Celtic Music Festival miterleben können. Auf unserem Weg ankern wir in fast schon unheimlich anmutenden Buchten neben tosenden Wasserfällen, die manchmal sogar aufwärts zu fließen scheinen, wenn der Wind seine volle Kraft entfaltet. 

Wir lassen den Anker direkt vor dem berühmten Highlander-Schloss Eilan Donan Castle fallen, erklimmen auf der Halbinsel Knoydart an einem sonnigen Sonntag den 1000 m hohen Munro „Sgurr Choire Choinnichean“ und runden diese wundervolle Wanderung im einsamsten Pub Schottlands „The Old Forge“ ab. Vor dem Pub gibt es sonntags Live-Music, und direkt davor ankert unsere Stravanza – ein Tag wie aus dem Bilderbuch. 

 

Canna Island
Canna Island

Natürlich kosten wir in so mancher Destillerie die würzig-torfigen Single Malt Whiskys und wagen uns an die berühmt-berüchtigten Haggis, das schottische Nationalgericht – Schafsmagen gefüllt mit Innereien und Hafermehl. Mir hat es als Einziger geschmeckt… 

Dunvegan Castle
Dunvegan Castle

Als wir das Kap Ardnamurchan umrunden, hängen wir uns, einer schottischen Seefahrertradition folgend, einen Buschen Heidekraut in den Bugkorb. Das dürfen nur Schiffe tun, die nördlich von Ardnamurchan gesegelt sind.

Mitten durch die Highlands an die Ostküste

Die Zeit verfliegt viel zu schnell und es ist schon Ende August. Wir haben entschieden, nicht „oben herum“, sondern durch den Caledonian Canal zu segeln, um an die Ostseite der britischen Insel zu kommen. Über die Schleusentreppe „Neptuns Staircase“ geht es 20 Meter hinauf in die Highlands und unter Segel weiter durch Loch Lochy und Loch Ness an die Ostküste.

 

Wir fliegen über die Nordsee

Die Häfen an der britischen Ostküste sind „tricky“, ein Anlaufen ist in vielen Fällen bei Schwell und Wind aus dem 1. und 2. Quadranten nicht möglich. Wir erinnern uns an die Anmerkung im Imray Pilot für diesen Küstenabschnitt: „Eine Yacht, die an dieser Küste segelt, muss hochseetauglich und jederzeit bereit sein, mehrere Tage auf See verbringen zu können“ und so segeln wir lange Schläge Richtung Süden bis sich ein Wetterfenster für den letzten Schlag dieses Sommers nach „good old Europe“ auftut. 

 

Diese Überfahrt will gut geplant sein, nicht nur was Wind und Wetter, Gezeiten und Strom betrifft, sondern auch die vielen „Hindernisse“ auf der Strecke: unzählige Windparks, Gasbohrtürme, Sperrgebiete, Verkehrstrennungsgebiete und viel Verkehr. Nach einer ziemlichen Rauschefahrt und ca. 30 Stunden auf See, landen wir punktgenau an der Niederländischen Küste und können unter strenger Anweisung der Port Authority von IJmuiden, in den Nordseekanal einlaufen. Das Abenteuer rund um die Britischen Inseln zu segeln ist zu Ende. In unserem Kielwasser liegt ein abenteuerlicher, unvergesslicher Törn. Wir waren bestimmt nicht das letzte Mal an diesen Küsten unterwegs.

 

Revierinfo Westküste Schottland

Wind&Wetter:

Der Golfstrom beschert Schottlands Westküste ein milderes Klima als generell an den Küsten der Nordsee.

Als beste Reisezeit wird allgemein von Mai bis September empfohlen. Für die Sommermonate geben viele Quellen cirka sechs Sonnenstunden pro Tag an. Die Schotten selber erwähnen gerne, dass man alle vier Jahreszeiten an einem Tag erleben kann und sollte man das Wetter am Morgen nicht mögen, man nur bis zum Nachmittag warten solle. Genauso haben wir es erlebt. Wobei der Juli im Sommer 2022 so besonders feucht war, dass dies selbst die Einheimischen bemerkenswert fanden.

Die Pilot Charts zeigen für die Sommermonate für Westschottland vorherrschende Winde aus dem 3. und 4. Sektor. Es ziehen immer wieder Tiefs mit Starkwindperioden durch. 

 

Wetterbericht:

Wetterberichte und Gale Warnings UK Inshore Waters: www.metoffice.gov.uk/weather/specialist-forecasts/coast-and-sea/inshore-waters-forecast. 

Es empfiehlt sich, unterwegs immer auch UKW-Kanal 16 zu hören. Die Coast Guard wiederholt alle drei Stunden den Inshore Wetterbericht. Neben diesen Informationen nutzten wir NAVTEX, die Windy App und Grib Files, die wir über Amateurfunk empfangen können. 

Seemannschaft und Navigation 

 

Gezeiten:

Beim Ankern und Anlaufen von Häfen müssen die Gezeiten beachtet werden. In den Durchfahrten zwischen den Inseln und an markanten Kaps können je nach Nipp- oder Springzeit Gezeitenstöme bis zu 7 Knoten auftreten und müssen entsprechend geplant werden. (Extrembeispiel: whirlpool-scotland.co.uk )

 

Navigation:

Vor dem Anlaufen von Häfen und Marinas sollte in der Regel der Hafenkapitän über UKW kontaktiert werden. Der entsprechende Anrufkanal oder die Telefonnummer sind im Hafenhandbuch zu finden. 

Wir konnten mit Navionics und Co. in diesem Revier sehr gut navigieren, führten aber auch Papierkarten für das gesamte Gebiet mit uns.

Sehr nützliche Tipps zu Wetter, Häfen und Ankerplätzen sind u.a. zu finden auf:

www.sailscotland.co.uk

www.visitmyharbour.com

 

Kaledonischer Kanal:

Die Anmeldung und Bezahlung für den Kaledonischen Kanal war im Jahr 2022 nur online möglich: www.scottishcanals.co.uk. Für die Durchfahrt hat man sieben Tage lang Zeit, Liegeplätze sind im Kanal gratis.

 

Internet/Datenroaming: 

In vielen Supermärkten können SIM-Karten für Datenroaming erworben werden (Stand 2022: 10 Pfund für ca. 15 GB). Installation und Handhabung unkompliziert. Netzabdeckung ausserhalb von Ortschaften mitunter sehr dürftig.

 

Literaturtipps:

Björn Larsson: „Kap Zorn“ und „Der Keltische Ring“

Stefan Zweig: „Maria Stuart“

Lonely Planet Travel Guide „Scotland’s Highlands & Islands”